Beat the Prof: Hassrede und politische Semantik
Erläuterungen zum Quiz auf ZEIT Online
von josch am 2017-03-14

Friederike Werner von ZEIT Online hat mich eingeladen, mir ein Wissensquiz zu sprachlichen Strategien der Ausgrenzung und Herabsetzung auszudenken. Das habe ich sehr gerne gemacht. Hier finden sich Erläuterungen zu den Fragen und Antworten.

1. Welche Aussage über Sprache ist am treffendsten?

"Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort" - an solchen Sätzen sieht man, dass Sprache nicht nur dafür da ist, Dinge oder Sachverhalte zu beschreiben. Indem eine Person diesen Satz äußert, tut sie etwas. Sie setzt ihre Ehre dafür ein, Glaubwürdigkeit zu erlangen. Aber auch banale Sätze, die aussehen, als würden wir mit ihnen nur etwas beschrieben, sind gleichzeitig Handlungen. Wenn ich sage "Heute regnet es", dann kann das eine Aufforderung sein, einen Schirm mitzunehmen.

Wenn wir sprechen, dann beschreiben und handeln wir immer zugleich. Wenn eine Politikerin sagt: "Deutschland ist ein Einwanderungsland" dann ist das einerseits eine Beschreibung, andererseits aber auch eine sprachliche Konstruktion der Wirklichkeit, aus der sich beispielsweise Forderungen nach einem Einwanderungsgesetz ableiten lassen.

In der Politik geht es darum, Wirklichkeit im Medium der Sprache so zu konstruieren, dass das eigene politische Programm möglichst plausibel, ja zwingend erscheint.

2. "Völkisch" bedeutet eigentlich "das Volk betreffend", "diskriminieren" heißt eigentlich nur "unterscheiden"? Gibt es die "eigentliche" Bedeutung eines Wortes?

Sprachphilosophie und Sprachwissenschaft sind sich heute einig, dass Sprache und Wirklichkeit nicht in einem ontologischen Verhältnis stehen. Sprache ist also nicht aus den Dingen motiviert und bildet nicht die Wirklichkeit ab. Es gibt daher auch keine richtige oder falsche Bedeutung eines Wortes. Vielmehr geht man davon aus, dass Wörter dadurch, dass sie immer wieder in ähnlichen Kontexten eingesetzt werden, typische Verwendungsweisen haben. Aus diesen Verwendungsweisen lassen sich dann Bedeutungsbeschreibungen ableiten. In der heutigen Lexikographie, also bei der Arbeit an Wörterbüchern, werden große Textkorpora benutzt, um solche typischen Verwendungsweisen zu identifizieren.

Wenn man ein Wort 'falsch' gebraucht, dann heißt das normalerweise, dass man es in den Augen der anderen Mitglieder einer Sprachgemeinschaft nicht so verwendet, wie es üblicherweise verwendet wird. Wenn Frauke Petry sagt, "völkisch" sei nur "ein zugehöriges Attribut" zum Wort "Volk", dann entspricht dies für die meisten Sprecherinnen und Sprecher nicht den Verwendungsweisen, die sie gewöhnt sind.

3. Was macht das Wort "Überfremdung" zu einem populären politischen Schlagwort? Es…

Beim Wort "Überfremdung" sorgt der Präfix "über" dafür, dass der Sachverhalt schon per se als schädliches Zuviel konstruiert wird. Analog zu "überfordert", "überlastet", "überspannt", "überarbeitet" insinuiert der Ausdruck, dass zu viele Fremde im Land sind und dass dies schädlich ist. Selbstverständlich sind alle Parteien und mit ihnen auch die Bürgerinnen und Bürger gegen "Überregulierung", "Überreglementierung" und "Überschuldung". Ausdrücke mit "Über-" verdecken, dass es durchaus strittig sein kann, ob unsere Gesetze und Verordnungen unser Zusammenleben und Wirtschaften in sinnvoller Weise regulieren oder tatsächlich "überregulieren".

4. Was ist die deontische Bedeutungsdimension eines Ausdrucks?

Die Sprache-in-der-Politik-Forschung unterscheidet drei Bedeutungsdimensionen: Den deskriptiven Bedeutungsaspekt, also die inhaltlichen Merkmale, die an einem Sachverhalt durch die Bezeichnung hervorgehoben werden, den deontischen Bedeutungsaspekt, die Bewertung die die Verwendung eines Ausdrucks transportiert und ihre normative Dimension, sowie den konnotativen Bedeutungsaspekt, also Assoziationen und Emotionen, die mit der Verwendung eines Ausdrucks verbunden sind.

5. Welche Botschaft transportieren Wörter wie "Migrationswaffe" und "Flüchtlingsinvasion"?

Die deontische Bedeutungsdimension dominiert bei den Ausdrücken "Migrationswaffe" und "Flüchtlingsinvasion", was sich den Metaphern aus dem Wortfeld Krieg verdankt.

6. Durch welche Eigenschaft wird die folgende Aussage überhaupt erst sinnvoll: "Wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, kein Mensch. (...) Und natürlich kann geschossen werden."

Man kann einen Begriff wie "Mensch" stark normativ aufladen. Man kann Sätze sagen wie "Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch". Wenn ich mir einem solchen Satz den Anspruch verknüpfe, ausnahmslos alle Referenzobjekte zu erfassen, dann schließen ich all jene sonst unter die Bezeichnung gefassten Referenzobjekte aus, die den normativen Ansprüchen nicht genügen. Reserviert man die Bezeichnung "Mensch" beispielsweise ausschließlich für jene, die sich nicht zu Knechten der von ihr verhassten Ordnung gemacht haben kann man problemlos alle anderen als "Typen" oder "Schweine" bezeichnen.

7. Welche der Parteien, die sich 2017 berechtigte Hoffnung auf den Einzug in den Bundestag machen, ist die sprachkritischste?

Die AfD thematisiert am häufigsten die Ausdrucks- oder Inhaltsseite von Bezeichnungen, indem sie sich durch Anführungszeichen von ihnen distanziert ("Flüchtling") oder ein "sogenannt" davorsetzt (sogeannter Experte). Das zeigt die folgende selbst durchgeführte Analyse zu Pressemitteilungen der Bundesparteien.

Sprachthematisierungen je 10.000 Wörter in den Pressemitteilungen der Bundesparteien

Auch in meiner Studie zum Sprachgebrauch der AfD während des Landtagswahlkamps in Rheinland-Pfalz haben sich diese Ergebnisse bestätigt.

8. Wer hat die "politische Korrektheit" in Deutschland verbreitet?

Die Begriffsgeschichte der "Politischen Korrektheit" in Deutschland habe ich in einem längeren Artikel auf diesem Blog dargestellt. Wer sich noch genauer informieren will, dem empfehle ich die dort genannte Forschungsliteratur. Christian Staas hat kürzlich in der ZEIT noch intensiver recherchiert.

9. Welcher Ausdruck war (noch) nicht Unwort des Jahres?

Die Unwörter des Jahres kann man in der Wikipedia am bequemsten Nachlesen. In der ersten Fassung des Quiz war noch "Negativzuwanderung" als Kandidat vorgesehen, was Unwort des Jahres in Österreich war und an den von der AfD neuerlich ins Spiel gebrachte Schlagwort der "Minuszuwanderung" erinnert.

10. Welche dieser Aussagen ist Hassrede?

Die Antwort fällt leicht, wenn man die in der nächsten Frage genannten definitorischen Aspekte von "Hassrede" anwendet.

11. Welches der folgenden Elemente ist nicht Bestandteil gängiger sozialwissenschaftlicher Definitionen von Hate Speech:

Im Unterschied zu anderen Formen der Hearbwürdigung liegt Hate Speech dann vor, wenn die Herabwürdigung ihre herabwürdigende Kraft daraus bezieht, dass eine Person als Vertreterin einer Gruppe adressiert wird und ihr negative Eigenschaften zugeschrieben werden, die dieser Gruppe vermeintlich kollektiv, universell und unveränderbar zukommen. Hassen müssen die Beleidiger ihre Adressatinnen und Adressaten nicht, obwohl sie es oft tun. Eine etwas ausführlichere Erklärung habe ich an anderer Stelle ins Blog geschrieben.

12. Welches Ehrdelikt begeht man, wenn man aus Überzeugung etwas Herabwürdigendes über eine Person sagt, ohne den Wahrheitsgehalt belegen zu können?

Behauptet man Dinge, die man nicht man nicht beweisen kann, die aber zugleich geeignet sind, das Objekt der Äußerung verächtlich zu machen oder in den Augen anderer herabzuwürdigen, dann betreibt man üble Nachrede. Die Verleumdung ist dagegen ein Äußern oder Verbreiten von Aussagen, die unwahr sind und die von dem Äußernden wider besseres Wissen verbreitet werden. Eine etwas ausführlichere Erklärung mit Literaturhinweisen findet sich auf dieser Seite.

Kategorie: Gesellschaft; Keywords: Die Zeit, Wissensquiz

Hassrede in Japan
Japan gibt sich ein Gesetz gegen Hate Speech
von josch am 2016-09-29

Am 25. Mai verabschiedete das Japanische Parlament ein "Gesetz zur Förderung von Anstrengungen zur Beseitigung diskriminierender Rede und diskriminierenden Verhaltens gegen Personen, die nicht aus Japan stammen" ("Act on the Promotion of Efforts to Eliminate Unfair Discriminatory Speech and Behavior against Persons Originating from Outside Japan"), das seit dem 3. Juni 2016 in Kraft ist. Wie der Name des Gesetzes schon sagt, stellt das Gesetz Hate Speech nicht unter Strafe, will aber Maßnahmen befördern, die das Auftreten von Hate Speech dokumentieren, das Bewusstsein in der Bevölkerung durch pädagogische Maßnahmen und Kampagnen heben und Institutionen auf lokaler Ebene schaffen, die Beschwerden über diskriminierende Äußerungen und Schlichtung von Konflikten ermöglichen.

Während der ursprüngliche Gesetzentwurf der Liberaldemokraten (LDP) die Definition von Hate Speech auf Drohungen beschränkte, die sich gegen den Körper, das Leben oder die Freihet von Nicht-Japanern richten, sowie auf verhetzende Äußerungen, die die Exklusion und Herabwürdigung von Nicht-Japanern beinhalten, wurde der Begriff auf Drängen der Demokratischen Partei (DPJ) auch auf stark provozierende Beleidigungen ("egregious insults") der nicht-japanischen Bevölkerung ausgedehnt. Im Wortlaut der offiziellen englischen Übersetzung:

In this Act, "unfair discriminatory speech and behavior against persons originating from outside Japan" shall mean unfair discriminatory speech and behavior to incite the exclusion of persons originating exclusively from a country or region other than Japan or their descendants and who are lawfully residing in Japan (hereinafter referred to in this Article as "persons originating from outside Japan") from the local community by reason of such persons originating from a country or region other than Japan, such as openly announcing to the effect of harming the life, body, freedom, reputation or property of, or to significantly insult, persons originating from outside Japan with the objective of encouraging or inducing discriminatory feelings against such persons originating from outside Japan.

Anlass für die Erarbeitung des Gesetzes waren die sich seit 2012 mehrenden Kundgebungen von Ultranationlisten, darunter auch der Zaitokukai, die teilweise in koreanisch geprägten Stadtteilen wie Shin-Okubo in Tokyo oder Tsuruhashi in Osaka stattfanden. Schon 1995 hatte Japan die UN-Rassendiskriminierungskonvention ratifziert, musste sich jedoch vom UN-Sonderberichterstatter für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit 2005 vorwerfen lassen, dem Problem des Rassismus nicht mit dem gebotenen politischen Engagement zu begegnen. Japan wurde von der UN mehrfach aufgefordert, ein Anti-Diskriminierungsgesetz zu verabschieben. Auch vor diesem Hintergrund muss die Verabschiedung des Gesetzes gesehen werden.

Gegen die Interpretation, nach der nur nicht gerechtfertigte ("unfair") diskriminierende Rede verboten sei, wenden sich beide Kammern des Japanischen Parlaments in einer ergänzenden Feststellung:

The interpretation of Article 2 of this Act that certain form of discriminatory speech and behavior may be allowed as long as it is not the "unfair discriminatory speech and behavior against persons originating from outside Japan" is not correct, and any form of discriminatory speech and behavior shall be appropriately dealt with in view of the intent of this Act, and the spirit of the Japanese Constitution and the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination.

Verglichen mit dem, was die Kampagne der deutschen Regierung gegen Hate Speech im Netz auslöste, nimmt sich die Kritik in Japan eher bescheiden aus. Neben der Tatsache, dass das Gesetz Hate Speech nicht strafrechtlich verfolgbar macht, ist es vor allem die Beschränkung seiner Gültigkeit auf Menschen, die sich legal in Japan aufhalten ("who are lawfully residing in Japan"), die Kritiker unter den Befürwortern eines Anti-Hate-Speech-Gesetzes auf den Plan ruft. Von der Gegenseite wird das Gesetz als Form der staatlichen Einflussnahme auf den öffentlichen Diskurs und als Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung verunglimpft.

Die japanische Regierung hat indes neben anderem Material ein Video veröffentlicht, das die schädliche Wirkung von Hate Speech und anderen Formen der Diskriminierung aufzeigt und die Bevölkerung sensibiliseren soll. Auch PEGIDA kommt darin vor:



Der Bürgermeister von Osaka, Toru Hashimoto, hat sich vor einiger Zeit den Kritikern seiner Anti-Hate-Speech-Politik gestellt. Mit dem Vorsitzenden der Zaitokukai, Makoto Sakurai, lieferte er sich ein Rededuell, in dem die Kontrahenten nach kürzestert Zeit jede Höflichkeitsform beiseite ließen. Die Aggression ging dabei von Sakurai aus.



Ein Beleg, dass es sich nicht lohnt, mit Menschen über eine inklusive Gesellschaft und sprachliche Sensibilität zu streiten, die mit Hate Speech Politik machen - nicht einmal in einem Land mit einer Höflichkeitskultur wie Japan.

Kategorie: Gesellschaft, Recht; Keywords: Hate Speech, Hassrede, Herabwürdigung, Japan, Gesetze

"linksgrün versifft"
Wer hat's erfunden?
von josch am 2019-07-22

Kennen Sie das? Ein Bekannter erzählt einem eine neue, spannende, vielleicht faszinierende Geschichte. Sie hängen an seinen Lippen, nicken eifrig, schütteln manchmal ungläubig den Kopf. Und ganz am Ende der Geschichte gibt er einem zu verstehen, das alles frei erfunden war. So etwas kommt immer wieder mal vor, denn als Zuhörer unterstellen wir erst einmal automatisch die Faktizität des Geschilderten. Zumindest solange wir keine anderen Hinweise erhalten. Aber ein einziger Hinweis kann unser Verständnis des Erzählten rückwirkend verändern, teilweise sogar in sein Gegenteil verkehren. Wie bei einer Kippfigur. Ein solcher Hinweis kann in einem plumpen "War alles nur ein Witz" bestehen oder auch nur in einem einvernehmlichen Zwinkern.

Jörg Meuthen hat der BILD am Sonntag ein Interview gegeben. In diesem Interview erklärt er, die AfD sei eine Rechtsstaatspartei, die sich glaubwürdig gegen alle extremistischen Tendenzen abgrenze. Zudem sei er sich sicher, dass Doris von Sayn-Wittgenstein, AfD-Vorsitzende von Schleswig-Holstein, aus der Partei ausgeschlossen werde. Alles prima also. Aber ganz am Schluss, da sagt er etwas, das zu denken gibt.

Er sei stolz darauf, den Begriff (er meint wohl das Wort) "Links-grün versifft" geprägt zu haben. Beim AfD-Programmparteitag in Stuttgart nämlich habe er zunächst vom "links-rot-grün verseuchten 68er-Deutschland" gesprochen. Nachdem das anwesende Parteivolk darauf begeistert reagiert habe, habe er nachgelegt: "Man könnte auch sagen: links-rot-grün versifft." Und erneut habe es donnernden Applaus gegeben. Eine schöne Geschichte, der wir fasziniert lauschen.

Aber dann halten wir inne. Der AfD-Parteitage war 2016, genauer am 30. April 2016. Sollte Meuthen wirklich derjenige gewesen sein, der jenen Ausdruck, der das Leiden der ziemlich weit Rechten an vermeintlicher linker Heuchelei und Scheinheiligkeit so optimal verdichtet, spontan geprägt hat, indem er "links-rot-grünes 68er-Deutschland" durch "links-(rot)-grün" ersetzt und "verseucht" mit "versifft" euphemistisch paraphrasiert hat? Haben wir den Ausdruck nicht schon früher gehört oder gelesen?

Im Netz wird tatsächlich einem anderen, für seine Invektiven Berüchtigten der Verdienst der Neuprägung des Ausdrucks "linksgrün versifft" zugeschrieben: Akif Pirinçci. So kommentiert Leserin Claudia am 30. Juli 2018 auf seinem Blog "Der kleine Akif" anlässlich einer Vorladung Pirinçcis zu einer Ermittlungssache wegen Volksverhetzung:

Es tut mir Leid, dass Sie - der Sie sich unschätzbare Verdienste erworben haben, schon allein als Sprachschöpfer ("Linksgrünversifft" ist und bleibt genial) - ständig diesem Terror ausgesetzt sind.

Und tatsächlich finden sich in Pirinçcis Texten und denen seiner (rechts)geneigten Kommentatoren zahlreiche Belege vor dem vermeintlichen Meuthen'schen Schöpfungsdatum im April 2016. Auch in dem Pamphlet "Deutschland von Sinnen", das im März 2014 erschien, schreibt Pirinçci vom "linksgrün versifften Staatsfunk" in Bremen. Allerdings findet sich bei Pirinçci häufiger die Variante "grün-linksversifft". Ist also Pirinçci Erfinder des "geflügelten Wortes"?

Eine kurze Recherche beim Diskursatlas Antifeminismus zeigt, dass der Ausdruck "linksgrün versifft" zumindest Vorläufer hatte. So sind "linksversifft" und "rotversifft" beispielsweise schon 2011 bei "Politically Incorrect" (pi-news.net) belegt.

Den ersten belegt für "lingsgrün versifft", für das Wirtschafts-FH-Professor Meuthen via BILD die Urheberschaft beansprucht, habe ich in einem Finanzblog gefunden, das sich noch vor der AfD den Themen Euro- und Islamkritik verschrieben hatte und eifrig Verschwörungstheorien verbreitete, nämlich auf dem deutsch-österreichischen Portal hartgeld.com, in dem redaktionelle Inhalte und als Leserzuschriften ausgewiesene Texte erscheinen. Am 29. Dezember 2012 wurde hier eine solche anonymisierte Leserzuschrift publiziert, in der sich der Satz findet:

"Ich habe vorletzte Woche einen Gerichtsprozeß in linksgrünversifften Hamburg [sic!] gewonnen".

Weil der Satz ohne die für Neuprägungen typische Metakommunikation auskommt, ist davon auszugehen, dass es sich für den Autor bei "linksgrün versifft" schon 2012 um einen gut eingeführten Audruck handelte.

Woher kannte Meuthen den Ausruck, als er im April 2016 an ein Stuttgarter Rednerpult trat? Hatte er Pirinçci gelesen, dann aber die Lektüre verdrängt, als dieser sogar bei PEGIDA in Ungnade gefallen war? Oder hatte der Wirtschafts-FH-Professor sich früher schon auf dem Portal "Hartgeld" informiert? Wir wissen es nicht und es ist müßig darüber zu spekulieren. Sicher ist: Erfinder des Ausdrucks ist er nicht.

Zeigt sich in Meuthens Anspruch, der Erfinder von "linksgrün versifft" zu sein, das Bemühen eines AfD-Vorsitzenden, der die Abwahl beim nächsten Parteitag fürchtet, sich mangels politischer Erfolge zumindest einen Platz in der Sprachgeschichte zu sichern und sich so unsterblich zu machen? Oder will uns Meuthen mit der offensichtlich Falschheit seiner Aussage am Ende des BILD-Interviews etwas über den Wahrheitsgehalt des restlichen Inhalts sagen? Ist es ein verschmitztes Augenzwinkern des AfD-Vorsitzenden, das uns verraten soll, dass alles nicht so ernst gemeint war?

Kategorie: Gesellschaft, Linguistik; Keywords: AfD, "linksgrün versifft"