Public Shaming
Eine Podiumsdiskussion im Rahmen der Datenspuren des Chaos Computer Club Dresden
von josch am 2016-10-25

In der vernetzten Internetöffentlichkeit hat auch das Anprangern von (vermeintlichen) Verfehlungen Einzelner eine neue Dimension bekommen. Die personalisierte öffentliche Kritik hat einerseits das Potenzial, Diskussionen über Normen in Gang zu setzen, Aufmerksamkeit auf Themen zu lenken, die in der Öffentlichkeit beschwiegen werden, und Menschen oder Minderheiten eine Stimme zu geben, die sonst selten Gehör finden. Andererseits geht die öffentliche Beschämung Einzelner häufig mit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten einher, mit sog. Rufmord bis hin zur Minderung von sozialem Status und der Vernichtung ökonomischer Existenz. Public Shaming ist aber nicht nur ein Netzphänomen, sondern wird auch von Tageszeitungen aufgegriffen oder von Zeitungen wie der BILD selbst eingesetzt, um normabweichendes Verhalten zu brandmarken.

Bei den "Datenspuren" des Chaos Computer Club Dresden haben Anne Lauber-Rönsberg (Professorin für Medien- und Datenschutzrecht an der TU Dresden), Peter Stawowy (Medienjournalist und Berater) und Felix Stalder (Professor für digitale Kultur an der Züricher Hochschule der Künste) von mir sanft geleitet die Fragen diskutiert, ob und wenn ja unter welchen Umständen Praktiken der öffentlichen Beschämung legitim sein können, wo rechtliche und moralische Grenzen liegen und was ggf. Strategien im Umgang mit Public Shaming sein können.

In der ersten Runde geht es um historische Schandstrafen und vergleichbare Phänomene im gegenwärtigen Recht, presserechtliche Aspekte der Beschämung und die Frage, ob die Netzöffentlichkeit eine neue Qualität von Praktiken der öffentlichen Beschämung hervorgebracht hat. Danach beschäftigen wir uns - unter anderem am Beispiel von sog. Nazi-Outings - mit der Frage, ob Public Shaming ein geeignetes Medium zur Verhandlung und Durchsetzung sozialer Normen ist. Im Anschluss diskutieren wir die Frage, wie Beschämung und Macht zusammenhängen und inwiefern Politik mit Public Shaming gemacht wird, inwiefern also die öffentliche Beschämung auch eine Machttechnik ist. In der letzten Runde diskutieren wir, wie die im Modus von Empörung und Scham vollzogene Thematisierung von vermeintlichen Verfehlungen wieder eingefangen und in eine konstruktive Debatte um soziale Normen umgelenkt werden kann.

Unterschiedliche Audio- und Videoformate gibt es auf https://media.ccc.de/.

Kategorie: Gesellschaft; Keywords: Scham, Beschämung