Die herabwürdigende Kraft sprachlicher Handlungen liegt nicht in den Wörtern selbst, sondern in den Konstellationen, Kontexten und Anschlusskommunikationen, in denen diese Wörter geäußert werden. Dennoch gibt es sprachliche Formen, die besonders häufig in invektiven Kontexten verwendet werden. Die Sprachwissenschaft hat sprachliche Muster und Äußerungstypen identifiziert, die besonders häufig in Situationen Verwendung finden, in denen die Handlungen der Beleidigung, der Herabwürdigung oder der Marginalisierung realisiert werden.
Die vollständigste Darstellung einer Pragmasemantik herabwürdigenden Sprechens hat Anja Lobenstein-Reichmann in ihrem Buch „Sprachliche Ausgrenzung im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit“ (2013) vorgelegt. Sie reichen von Bezeichnungshandlungen bis hin zu Textsorten und sollen im Folgenden von den kleinsten sprachlichen Einheit ausgehend referiert werden.
So kann die einfache Referenzhandlung bereits als herabwürdigend gedeutet werden, nämlich dann, wenn das Nomen proprium oder das Nomen appelativum, das zur Bezeichnung einer Person oder Gruppe benutzt wird, als implizite Kurzform einer bewertenden Prädikation verstanden werden kann. Beispielsweise wurde der Ausdruck Zigeuner in der Geschichte des Deutschen zwar lange als Name eines Volkes benutzt, hatte aber zugleich einen stark negativ wertende Bedeutungsdimension (vgl. Lobenstein-Reichmann 2013: 33). Was am Extrembeispiel der Bezeichnung Zigeuner illustriert wurde, gilt aber allgemein für jede Referenzhandlung: Eine neutrale Beschreibung der Welt ist nicht möglich, jede Bezugnahme auf Welt enthält wertende Dimensionen (vgl. Quine 1951, Austin 1962: 150).
Positionierungen können auch mittels Vergleich und Metapher vorgenommen werden. Während Vergleiche den referenzierten Gegenstand mit einem anderen Gegenstandsbereich explizit durch die Partikel wie verknüpfen, geschieht dies bei Metaphern implizit, häufig mit den syntaktischen Formen etwas ist etwas, jemand nennt etw. etw. (doppelter Akkusativ) / bezeichnet etwas als etwas (vgl. Lobenstein-Reichmann 2013: 40). Metaphern und Vergleiche transportieren Wertungen, indem bestimmte Eigenschaften vom Vergleichsgegenstand auf den referenzierten Gegenstand übertragen werden. Eine Beispiel für die Verwendung einer Metapher, die zur Verurteilung wegen Volksverhetzung geführt hat, ist die Bezeichnung von Flüchtlingen als Viehzeug durch PEGIDA-Chef Lutz Bachmann. Das Beispiel ist insofern typisch für Metaphern, die eine herabsetzende Wirkung entfalten können, als diese häufig aus den Bildbereichen Tier, Krankheit, Katastrophe und Kriminalität entlehnt sind (vgl. Lobenstein-Reichmann 2013: 43).
Auch Wortbildungen haben das Potenzial, Positionierungen eine negative Bedeutungsdimension zu geben. So können beispielsweise durch Ableitungen mit den Diminutivsuffixen /lein/ und /ling/ (Emporkömmling, Eindringling, Fremdling) oder durch die Präfixe /un/ (Unkraut, Unmensch) oder /unter/ (Untermensch, Untermenschentum) Negativierungen erzeugt werden (vgl. Lobenstein-Reichmann 2013: 46). Auch einzelne Bestandteile von Komposita können dazu führen, dass die in ihnen realisierten negativen semantischen Merkmale dem Kompositum eine negative Bedeutung geben. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Komposita mit dem Determinatum /Jude/ (Sowjetjude, Reformjude, Zentrumsjude, Musterjude, Edeljude) sowie das Wort Jude selbst „zum Schimpfwort schlechthin“ (Schlosser 2013: 21f). Heute führt das Determinans /Nazi/ dazu, dass die mit ihm gebildeten Komposita eine negative Bewertung des bezeichneten Sachverhalts, Gegenstandes oder der bezeichneten Person transportieren und zwar ganz unabhängig davon, ob das Wort einen Sachverhalt aus dem historischen Nationalsozialismus bezeichnet oder nicht (Nazizeitung, Nazisprache, Nazidichter, Nazi-Treff, Nazi-Bau, Nazi-Freund, Nazi-Justiz).
Eine explizite Form der sprachlichen Herabsetzung, die von Laien oft als prototypische Form der Beleidigung aufgefasst wird, ist die Verwendung von Schimpfwörtern. Schimpfwörter „bringen eine negative Bewertung zum Ausdruck. Zusätzlich zu ihrem deskriptiven Bedeutungsanteil besitzen sie eine differenzierte expressive Bedeutung […].“ (Löbner 2003: 46) Die herabwürdigende Kraft von Schimpfwörtern ergibt sich freilich nicht aus ihrer Wortgestalt, sondern aus ihrer Verwendung im Kontext von Schimpf- und Herabsetzungshandlungen. Die von der Malediktologie zusammengestellten Schimpfwörterbücher (vgl. etwa Kappeller / Voigt 1964, Pfeiffer 1997) sind daher interessante Quellen, funktional orientierte Untersuchungen wie von Sornig (1975) und Scheffler (2000) tragen jedoch mehr zum Verständnis vom Beitrag von Schimpfwörtern zu Positionierungshandlungen bei. Fatma Oztürk Dağabakan versteht unter dem Determinatum Schimpfen die verbale Äußerung von Aggression, mit der Absicht zu beleidigen (vgl. Dağabakan 2012: 82). Steffen K. Hermann und Hannes Kuch sehen Schimpfen und Fluchen als explizite Missachtungsformeln (vgl. Hermann, Kuch 2007: 17), bei denen Schimpfwörter zum Einsatz kommen. Schimpfwörter sind in dieser Perspektive Ausdrücke mit idiomatischer Prägung (Feilke 1996), die sich ihrer Verwendung in typisierten kommunikativen Kontexten und Situationen mit konventionalisierten pragmatischen Funktionen verdankt. Spottnamen und anredende Schimpfwörter sind nach Lobenstein-Reichmann (2013: 52) „entweder einwortige illokutionäre oder kontextuell eingebettete Sprechakte, die dazu dienen zu beleidigen, zu schmähen oder auszugrenzen.“
Neben diesen lexikalischen Mitteln können explizite Prädikationshandlungen dazu genutzt werden, Positionierungen mit pejorativem Effekt zu bewirken. Prädikation bezeichnet die Zuschreibung von Eigenschaften. Prädikationen können insbesondere dann herabwürdigende, marginalisierende oder ausgrenzende Effekte haben, wenn sie Bezug auf Normalitätsvorstellungen nehmen und der präzidierten Person oder Gruppe implizit oder explizit eine Abweichung von der Norm zuschreiben. Sie glücken um so eher, je stärker die Aussagen von einem normalistischen Dispositiv (Link 1997) mitgeformt werden, weil sie dann als selbstverständlicher Teil des Wissens einer Gesellschaft gelten und damit unhinterfragbar sind. Grundsätzlich lassen sich prädikative und attributive Prädikationshandlungen unterscheiden. Prädikative Bewertungshandlungen können beispielsweise über Sätze mit einem Prädikativum und der Kopula sein realisiert (vgl. Lobenstein-Reichmann 2013: 71) werden. In Sätzen wie „Du bist ein Idiot!“ wird der Angesprochene kategorisiert und zugleich bewertet. Bei der attributiven Bewertungshandlung werden „zwei semantische Informationen zueinander in Beziehung [gesetzt]. Aus dem Nebeneinander wird ein Miteinander, da die semantischen Merkmale der Einzelausdrücke aggregativ miteinander verwoben werden. In der Regel entsteht auf diese Weise semantisch Neues. Bei Adjektivattributen wird das zu bestimmende Substantiv durch den Inhalt des Adjektivs näher spezifiziert.“ (Lobenstein-Reichmann 2013: 75) So setzt die Beleidigung „schwule Sau“ dehumanisierendes Schimpfwort und vermeintliche sexuelle Perversion miteinander in Beziehung. Attributive Prädikationshandlungen können aber auch zur Gradierung benutzt werden (vgl. Lobenstein-Reichmann 2013: 77), das heißt zur Codierung des Überzeugungsgrads oder der emotionalen Involviertheit des Sprechers hinsichtlich des Gehalts des substantivischen Ausdrucks („verdammter Lügner“).
Auf der satzsemantischen Ebene identifiziert Lobenstein-Reichmann den kollektiven Singular, die Aufzählung und die implizite Prädikation als sprachliche Mittel, mit denen pejorisierende Positionierungen vorgenommen werden können.
Mit dem kollektiven Singular, ganz gleich ob in Verwendung mit bestimmtem oder unbestimmtem Artikel, wird hinsichtlich einer Gruppe die Existenz eines Idealtypus insinuiert, der sich bestimmten typischen Eigenschaften der Gruppenangehörigen verdankt. Durch die Bezeichnung mit dem kollektiven Singular werden die bezeichneten Personen dann als Angehörige einer Gruppe mit den für diese Gruppe vermeintlich konstitutiven Eigenschaften klassifiziert. Pejorisierend wirkt der kollektive Singular insbesondere dann, wenn die vermeintlich konstitutiven Eigenschaften negativ bewertet werden (vgl. Lobenstein-Reichmann 2013: 80.) Als Beispiel für eine Abwertung durch den Gebrauch des kollektiven Singulars kann ein auf faz.net erschienener Artikel über die Personenkontrollen im Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht 2016/2017 dienen, der schon in der Überschrift mit einem Kollektivsingularen operiert: „Sehr populistische Fragen an den Nafri, Politik und Polizei nach Köln“. Die negative Bedeutung der Klassenbezeichnung „Nafri“ wird (unter anderem) durch die in eine Frage verkleidete Zuschreibung einer negativen Eigenschaft deutlich: „Warum geht von Dir und Deinen Freunden ‚Grundaggressivität‘ aus?“ (Man beachte die Du-Anrede.)
Die Aufzählung kann dann dazu beitragen, dass positionierende Bezeichnungen eine negativ wertende Bedeutung bekommen, wenn die immer gleichen Elemente miteinander so oft in Beziehung gesetzt werden, dass sie als festes sprachliches Muster wahrgenommen werden. In der Aufzählung werden die einzelnen Glieder zwar als distinkt dargestellt, zugleich aber unter einem bestimmten Gesichtspunkt als Teil eines Gemeinsamen subsummiert, „semantisch unter einem bestimmten, ihnen allen gemeinsamen Aspekt gefasst“ werden (Lobenstein-Reichmann 2013: 83). Auch wenn das Gemeinsame nicht explizit genannt wird, wird es doch von kompetenten Hörern erschlossen. Wird dieses Gemeinsame negativ bewertet, erfolgt eine abwertende Positionierung der bezeichneten Gruppen wie beispielsweise in der Aufzählung Juden, Kapitalisten und Bolschewisten, die von Nationalsozialisten häufig benutzt wurde, um den vermeintlichen jüdischen Bolschewismus zu referenzieren. „Bisher Eigenständiges erfährt eine Semantisierung als Gruppe, durch die es neu negativ beeigenschaftet wird.“ (Lobenstein-Reichmann 2013: 84)
Ähnlich wie die Aufzählung ohne explizite Nennung einer negativen Eigenschaft zu pejorativen Positionierungen führen kann, so können allgemein durch Präsuppositionen implizite Prädikationen gemacht werden, durch die die referenzierten Personen oder Gruppen abwertend positioniert werden. Präsuppositionen sind das für das Verständnis einer Aussage notwendige, aber stillschweigend vorausgesetzte Wissen. In Aussagen der Identitären Bewegung wie „Wir lassen uns nicht austauschen!“ ist das Ideologem, nach dem die Regierung der Bundesrepublik daran arbeitet, auf Geheiß der USA und anderer Mächte die autochthone Bevölkerung durch Migranten zwecks Ausmerzung des Deutschtums zu ersetzen, als Wissen vorausgesetzt. Neben solchen konstruktionellen Präsuppositionen können auch einzelne Lexeme ganze Wissensbereiche aufrufen, ohne sie zu explizieren (vgl. Lobenstein-Reichmann 2013: 90). So setzt das Lexem Umvolkung die Existenz eines homogenen Volkes voraus, dessen Existenz dadurch bedroht ist, dass es durch ein anderes Volk ersetzt wird, und dass dieser Prozess der Ersetzung bereits in Gang ist. Präsuppositionen nutzen demnach Normalitätsvorstellungen als Positionierungsressource und erscheinen deshalb besonders plausibel und unmittelbar evident.
Über die hier referierten Mittel hinaus existieren weitere musterhafte sprachliche Formen, die häufig Verwendung finden, wenn negative Positionierungen vorgenommen werden. Dazu zählen auch Textsorten wie der Fluch (vgl. Lobenstein-Reichmann 2013: 126-137), die Invektive oder der Rant, kommunikative Gattungen wie die Wutrede (Meier 2016), aber auch Formen der Nichtthematisierung wie der Namensentzug und die Tabuisierung (vgl. Lobenstein-Reichmann 2013: 65).
- Austin, John L. (1962): How to do things with words. The William James Lectures delivered at Harvard University 1955. Oxford: Calrendon Press.
- Dağabakan, Fatma Oztürk (2012): Die Fluchwörter und Verwünschungen im Deutschen und im Türkischen. In: Zeitschrift für die Welt der Türken, Heft 4, S. 79-98.
- Feilke, Helmuth (1996): Sprache als soziale Gestalt. Ausdruck, Prägung und die Ordnung der sprachlichen Typik. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
- Herrmann, Steffen Kitty / Kuch, Hannes (2007): Verletzende Worte. Eine Einleitung. Herrmann, Steffen Kitty / Krämer, Sybille / Kuch, Hannes (Hrsg.): Verletzende Worte. Die Grammatik sprachlicher Missachtung. Bielefeld: transcript.
- Kapeller, Ludwig / Voigt, Helmut (1964): Das Schimpfbuch. Von Amtsschimmel bis Zimtziege. Herrenalb/ Schwarzwald: Erdmann.
- Link, Jürgen (1997): Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
- Lobenstein-Reichmann, Anja (2013): Sprachliche Ausgrenzung im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Berlin / Boston: de Gruyter.
- Löbner, Sebastian (2003): Semantik. Berlin, New York: De Gruyter.
- Meier, Simon (2016): Wutreden – Konstruktion einer Gattung in den digitalen Medien. In: ZGL 44(1): 37-68.
- Pfeiffer, Herbert (1997): Das große Schimpfwörterbuch. Über 10000 Schimpf-, Spott- und Neckwörter zur Bezeichnung von Personen. Frankfurt am Main: Eichborn.
- Scheffler, Gabriele (2000): Schimpfwörter im Themenvorrat einer Gesellschaft. Marburg: Tectum.
- Schlosser, Horst Dieter (2013): Sprache unterm Hakenkreuz. Eine andere Geschichte des Nationalsozialismus. Köln, Weimar, Wien: Böhlau.
- Sornig, Karl (1975): Beschimpfungen, in: Grazer Linguistische Studien, Heft 1, S. 150-170.
- Quine, Willard Van Orman (1951): Two Dogams of Empiricism. In: The Philosophical Review 60, S. 20-34.